Wissen Sie, wo Ihre ehemaligen Studenten nach dem Bachelor oder Master in
Animation arbeiten? Wie steht es um ihre berufliche Auslastung?
Ich kenne keine Ehemaligen, die keinen Job gefunden haben, auch wenn sie nicht alle-
samt direkt in der Animation arbeiten. Vor einiger Zeit haben wir eine Umfrage gemacht,
da sah es wirklich gut aus. Das hat auch damit zu tun, dass wir vor fünf Jahren den Fokus
mehr auf die handwerkliche Ausbildung gerichtet haben. Der Druck, der durch unsere
Absolventen auf die Branche ausgeübt wird, tut dieser gerade gut. Andererseits ist die
Filmindustrie in der Schweiz immer noch sehr klein und ist durch die Masseneinwanderungsinitiative aus dem Europäischen Förderkontext gekickt worden.
Die HSLU bietet als einzige Hochschule in der Schweiz ein Animations-Studium an.
Inwiefern profitiert ihr von dieser Position?
In der Animation profitieren wir natürlich von diesem Monopol. Gleichzeitig sehen wir
uns im europäischen Wettbewerb und konkurrieren um die kreativsten Köpfe mit den
anderen Hochschulen, die wie die ZHdK mit Game-Design oder Cast / Audiovisual Media
verwandte Ausbildungen anbieten. Schwierig ist es leider immer noch, Westschweizer
fürs Studium in Luzern zu gewinnen. Die Sprache wirkt da offenbar als Handicap – dabei
bieten wir bei Bedarf den Unterricht in Englisch an und die meisten Dozierenden und
Studierenden sprechen auch Französisch – das kriegen wir alles prima hin! (Lacht) Trotz-
dem haben wir dieses Jahr 29 Studierende aus dem deutschsprachigen und nur eine
aus dem französischsprachigen Raum, das ist schade, denn die Westschweizer Art tut
unserer Studienrichtung extrem gut.
Was hat sich mit dem Umzug in die Viscosistadt verändert?
Wir wachsen an einem Standort zusammen, nach der zweiten Umzugsetappe 2019 sind
dann alle Studienrichtungen und Werkstätten hier. So entwickelt sich ein Wir-Gefühl. Ein
zentraler Standort ist auch wichtig, um der Abwanderung aus der Region Luzern entgegenzuwirken: Etwa 80 Prozent der Hochschulabgänger und somit auch entstehende
Kreativfirmen ziehen weiter nach Zürich, Basel oder Bern.
Ihr hofft also, dass die Leute auch dank Viscosistadt vermehrt im Raum Luzern
bleiben?
Das wäre ideal. Es fehlt aber noch an der Sensibilität von Politik und Wirtschaft. Im Vergleich zu anderen Regionen ist die Filmförderung in der Zentralschweiz schlicht erbärmlich. Dank der Albert-Koechlin-Stiftung hat sich die Situation zwar verbessert, doch
muss hier noch viel mehr geschehen.
Zurück zum Animationsfilm. Trotz fortschreitender Digitalisierung
entstehen etwa Zeichentrickfilme oft noch auf Papier. Was spricht
für das Handwerk, für «analoges» Arbeiten?
Die grösste Herausforderung ist immer noch eine gute Idee und wie
man diese erzählt und gestaltet. Das nimmt einem kein Computer
ab. Der Mensch bleibt die treibende kreative Kraft; die Software über-
nimmt dabei Teile in der Umsetzung. Es gibt zu jeder digitalen Welle
eine Gegenbewegung des Handgemachten. Von den Möglichkeiten
des Machbaren ist man irgendwann übersättigt. Entwicklungsgeschichtlich gesehen ist die
Vernetzung von Hand und Gehirn seit Millionen
Jahren angelegt. Das Bedürfnis der Kreativen,
die Hände unmittelbar am Material zu benutzen, bleibt. Trotzdem arbeiten manche lieber
am Computer, das ist individuell verschieden
und ist weder besser noch schlechter.
Es ist auch nicht so, dass die Digitalisierung viele Animatoren überflüssig macht?
Die Angst hat sich jedenfalls nicht bestätigt.Als zum Beispiel um die Jahrtausendwendedas «Motion Capturing» entwickelt wurde,ein Verfahren, bei dem Körperbewegungeneingescannt und auf Figuren übertragen werden, da stellte man sich die Frage, was nunaus den Scharen von Animatoren werden soll.Die Frage ist schnell obsolet geworden, weil sichzeigte, dass diese in anspruchsvollen Bereichen immer noch viel bes-
ser sind als die Maschinen. Auch wenn etwa für kommerzielle, billi-
ger gemachte Kinder-Serien digitale Tools zum Einsatz kommen, mit
denen man sehr viel effizienter arbeitet. Die sind aber meist auf einem
gestalterisch niedrigen Niveau.
Künstlerische Hochschulen müssen heute auch Forschung betrei-
ben. Ist das überhaupt zu bewerkstelligen?
Die Forschung findet ja nicht im Bachelor statt, obwohl sie natürlich da
hinein wirken sollte. Wir haben eine Forschungsabteilung, die verschie-
dene Projekte verantwortet. So untersuchten wir in der Vergangenheit
die Wirkungsweisen von Displays im öffentlichen Raum oder die Dra-
maturgie kurzer Filmformate; gegenwärtig entsteht in Koproduktion
mit der SRG eine Studie über die Wirkung von 360-Grad-Inhalten.
Man muss auch sehen, dass der Forschungsbegriff sehr stark von der
Natur- und Geisteswissenschaft geprägt ist; die künstlerischen Hoch-
schulen sind hier immer in der Defensive. Bologna diktiert etwa, dass
jeder Dozent, der im Master unterrichtet, einen Doktortitel haben
muss. Ich kenne aber keinen einzigen relevanten Animationsfilm, der
von einem Doktor gemacht wurde. Also muss man einen künstleri-
schen Ph.D. definieren, um den Vorgaben gerecht zu werden.
«Dem Irrsinn voraus» – so lautet eine Überschrift auf eurer schön gemachten Website. Wieviel Irrsinn braucht es in diesem Beruf? Spielen Sie damit auf den grossen Aufwand an, der meist betrieben werden muss?
Vielleicht ist es so: Leidenschaft ist in diesem Beruf wichtig, sollte aber nicht zum Irrsinn werden. Man muss auf dem Boden bleiben, im Leben verankert sein – das versuchen wir den Studierenden zu vermitteln. Was den teils enormen Aufwand anbelangt: Der liegt ja nur in einem anderen Bereich als etwa im Spielfilm, wo für ein paar Sekunden Aufnahme vielleicht fünfzig Leute eine Nacht lang im Wald herumstehen. In der Animation braucht es eine andere Art von Geduld; Improvisationsmöglichkeiten gibt es weniger, man muss extrem akkurat arbeiten.
Wenn Sie zuletzt eine kleine Typologie von
Animatoren erstellen müssten – wie würde
diese aussehen?
Hmmm... (lacht). Wir haben keine Studieren-
den mit Karohemden und Pullundern. Ansons-
ten ist es wie überall: Es gibt die Geduldigen
und die Ungeduldigen. Die Extrovertierten
und die Introvertierten. Dieses wunderbare
Medium ist es jedenfalls wert, einen Grossteil
seines Lebens darein zu investieren.
DerGroupement Suisse du Film d’Animation (GSFA) wird fünfzig. Der Berufsverband der pro- fessionellen Animationsfilmschaffenden wurde im Herbst 1968 in Genf gegründet.
Gefeiert wird ab Sommer mit einer Wanderausstellung zum Animationsfilmschaffen in der Schweiz, die Ende August im Rahmen des Fantoche 2018 im Kunstraum Baden eröffnet wird und dann am Animatou in Genf, in Bellin- zona, Dietikon und Luzern Halt macht. In Arbeit ist auch ein gemeinsamer Jubiläumsfilm.
swissanimation.ch