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Sparen, ohne Programme zu kürzen

Pascaline Sordet
17. April 2018

Gilles Marchand

Im Anschluss an eine lange und intensive Kampagne muss die SRG nun einen Reform- und Sparplan ausarbeiten, der sich auf die gesamte Audiovisionsbranche auswirken dürfte.

Man wird mit weniger auskommen müssen: Die SRG weiss das, die Filmbranche ebenfalls. Die allermeisten aus der Branche waren am 4. März sehr erleichtert, doch der nächste Umbruch ist schon angekündigt. Mit der Senkung der Gebühren auf 365 Franken ab 2019, der Plafonierung dieser Einnahmen bei 1,2 Milliarden und insbesondere mit dem erwarteten Rückgang der Werbeeinnahmen sind Kürzungen im Betriebsbudget der SRG unvermeidbar.

Die Ankündigung, die der neue SRG-­Direktor Gilles Marchand am Abstimmungstag gemacht hat, ist klar: 80 Millionen Franken müssen eingespart und zusätzliche 20 Millionen jährlich für Reinvestitionen gesucht werden. Doch die Unternehmensspitze möchte dieses grosse Reformprojekt, auch als Plan R bekannt, nicht mit Streichungen im Angebot verbinden. Gilles Marchand musste sich schon während der Kampagne überlegen, wie er sparen könnte, ohne die Programme anzutasten. Er schlägt eine Reihe von Massnahmen vor; die genauen Sparpläne werden bis im Sommer vorgestellt.

Die Arbeitsweise ändern

Zunächst sollen die Produktionskosten gesenkt werden, was die Immobilien und In­fra­­strukturen, die Verwaltung und die Informatik betrifft. Die Produktionsstandards von Sendungen – ihre Vorbereitungszeit, Anzahl Mitarbeitende, Material – werden auf ihre Effizienz hin überprüft. In der Kampagne wurde zwar mit der Sicherung der Arbeitsplätze argumentiert, doch scheinen Kündigungen unumgänglich. Auch der Sparplan 2016mit Kürzungen um 40 Millionen hatte 250 Stellen betroffen.

Bei jenen, die engagiert den Service public verteidigten, ist eine gewisse Verärgerung zu spüren. «Spricht die SRG von einer Senkung der Produktionskosten, so meint sie damit auch die Löhne der Techniker und Darsteller­innen», sagt Anne Papilloud von der Gewerkschaft Syndicat Suisse Romand du Spectacle, die Schauspieler und Technikerinnen vertritt, und fügt hinzu: «Es ist nie der richtige Moment, um bessere Arbeitsbedingungen zu fordern. Die Gegner argumentierten während der Kampagne: Ja, man kann die SRG durchaus kritisieren, aber später. So, nun ist No Billag vorbei und jetzt ist später!»

Die Frage, wieviele Sender es braucht, wurde ebenfalls angesprochen, doch im Gespräch mit Jacques Pilet auf der Website von «Bon pour la tête» wich Gilles Marchand aus: «Man muss mit einer vorgefassten Meinung aufräumen, denn das Problem ist nicht die Verbreitung und nicht die Anzahl Sender, sondern was wir herstellen.» Um die sieben Fernsehsender in vier Sprachen mit Programmen zu füllen, muss man enorm viel produzieren. Die Frage ist nicht nebensächlich: Für den Dokumentarfilm der Romandie würden beim Einstellen von RTS Deux zahlreiche Sendeplätze wegfallen, in denen heute unabhängige Filme ausgestrahlt werden können. Der Abbau des linearen Angebots betrifft im übrigen längerfristig dieselbe Problematik bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Fernsehen und Unabhängigen.

Investition in den Spielfilm

Eine andere Ankündigung des SRG-Direktors betrifft weniger die Einsparungen als die Investitionen. Für ihn ist es entscheidend, mehr Geld in die Kultur und insbesondere in den Film zu investieren. «Die Schweizer Programme müssen bei Informations- und Sportsendungen den Vergleich mit dem internationalen Angebot nicht scheuen, hingegen ist beim Film ein deutliches Defizit auszumachen. Es gibt nicht genügend Spielfilme aus der Schweiz», so Marchand gegenüber Jacques Pilet. «Natürlich braucht es Informationen und Dokumentationen um das Leben dieses Landes zu spiegeln, aber nicht nur das.»

Die Ankündigung kann die Filmbranche nur freuen, besonders, wenn damit eine Weiterentwicklung der Branche, eine engere Zusammenarbeit zwischen Sendern und Produzenten und eine Stärkung des Pacte de l’audiovisuel einhergeht. Allerdings ist nicht klar, woher das Geld kommen wird und wie sich dies auf den Dokumentarfilm auswirkt, besonders im Kontext der Sparmassnahmen und der Auflage, 50 % des Budgets in die Information zu investieren. Gilles Marchand sagt es deutlich: «Wir werden den Gürtel anderswo enger schnallen.» Die Aushandlung des neuen Pacte ab 2020 sollte Ende Sommer beginnen; diese Frage wird in den Diskussionen also bestimmt wieder auftauchen.

Kabelbetreiber als Koproduzenten?

Der andere Teil der geplanten Investitionen der SRG geht in den digitalen Ausbau, der einerseits der Sprachenvielfalt dient und andererseits ein jüngeres Publikum ansprechen soll, glaubt man den Kampagnenparolen. Vorderhand kennt man weder die konkreten Projekte noch den Schlüssel für die Aufteilung der 20 Millionen auf die beiden Bereiche.

Koproduktionen wären ein gangbarer Weg sowohl für die Fiktion als auch für die Information. Die SGR will mit der Branche wie mit den Printmedien und den lokalen Fernseh- und Radiosendern zusammenarbeiten. Gilles Marchand wagt sich sogar noch weiter vor und nennt die Kabelbetreiber als mögliche Koproduzenten für das Fernsehen, denn diese benötigten Premiuminhalte, damit sie Kunden gewinnen und die «übrigens sehr hohen» Abonnementskosten rechtfertigen können. Diese Verhandlungen sind zäh, werden aber regelmässig von der Branche angesprochen, so auch letztes Jahr in Locarno am traditionellen Dîner politique des GARP.

Eine Lösung, die zwar in der Kampagne nicht direkt erwähnt wurde, aber von RTS erwogen wird, ist das Outsourcing bestimmter Programme. Die Kultursendung «La Puce à l’oreille» ist eine Koproduktion mit Point Prod, was ein besseres Kostenmanagement erlaubt: «Wir folgen den Bestimmungen des ssfv, die nicht zwangsläufig denen von RTS entsprechen. Wir respektieren die Tarife der Branche, setzen unsere Mittel jedoch für den effektiven Bedarf der Produktion ein», erklärt David Rihs, der Produzent der Sendung. In diesem Setting arbeiten die Angestellten von RTS Seite an Seite mit den Freiberuflichen: «Es gibt intern und extern hervorragende Profis, sie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr wären die Produktionsmethoden zu hinterfragen.» Ausserdem eröffnete diese Zusammenarbeit auch die Möglichkeit einer privaten Finanzspritze (ursprünglich wurde die Sendung von der Fondation Wilsdorf unterstützt).

Parallel zu diesen Reformplänen befasst sich die Politik auch mit den zukünftigen Rechtsgrundlagen der Medien in der Schweiz. Der Bundesrat wird im Juni seinen Entwurf zu einem Gesetz über die elektronischen Medien vorstellen, das mittelfristig das heutige Radio- und Fernsehgesetz ersetzen soll. Es könnte eine öffentliche Finanzierung neuer Medienakteure, vorab von Online-Medien, ermöglichen.


Das Mediengesetz betrifft die Branche

Das Gesetz betrifft die Filmbranche direkt, denn die Filmfinanzierung durch das Fernsehen ist eine Klausel im RTVG. Wird die Vorgabe, wonach 4% des Umsatzes in Schweizer Filme zu investieren sind, beibehalten? Und würde sich eine solche Bestimmung auch auf die VoD-Plattformen beziehen, die im Vorentwurf nicht erwähnt sind? Cinésuisse steht in Kontakt mit dem BAKOM, doch das Problem der Audiovision ist bei Weitem noch nicht geregelt.

Ebenfalls an der politischen Front, und noch bevor sie die Ergebnisse der Abstimmung überhaupt kannte, nahm die SVP einen neuen Anlauf, mit einer parlamentarischen Initiative von Natalie Rickli, wonach die Gebühren auf 300 Franken pro Jahr und Haushalt gesenkt werden sollen. Das wird der bereits hart geprüften Belegschaft der SRG den kalten Schweiss auf die Stirn treiben.

▶ Originaltext: Französisch


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