MENU Schliessen

Der Standpunkt von Vincent Wang

Pascaline Sordet
30. Juli 2018

«L' ospite» ist eine europäische Koproduktion, doch Sie haben oft zusammen mit Asien produziert - sehen Sie da Unterschiede?


In China sind die Finanzierungen privat, was widersprüchlich erscheint bei einem sozialistischen Land. Die Schwierigkeiten und Anliegen der Finanzierer sind also unterschiedlich. In Frankreich möchten die Institutionen künstlerisch starke Filme, in China hingegen muss man das Publikum mit Stoffen oder der Besetzung anziehen.


Ist es als Produzent interessant, sich aufs Koproduzieren mit bestimmten geografischen Regionen zu spezialisieren?


Ich möchte mich gerade nicht spezialisieren, denn mich locken die künstlerischen und kulturellen Erfahrungen. Aber es wird interessant, wenn man ein Terrain genau kennt, den dortigen Markt und die Möglichkeiten für die Finanzierung. Ich habe 14 Jahre lang mit Tasi Ming-Liang in Taiwan produziert, das ist ein Land, das ich kenne und wo ich jetzt französische Filme produzieren kann, neulich auch einen holländischen.


Macht es heute, da sich überall Gemeinschaftsproduktionen entwickeln, noch Sinn, von einem «chinesischen» oder «Schweizer Film» zu sprechen?


Von Nationalitäten, nicht von der Nationalität eines Films zu reden, ist auch in dieser neuen Ära, wo es den einen Produzenten nicht mehr gibt, durchaus sinnvoll. Der Autorenfilm kennt immer mehr Koproduktionen, und dank neuer Kommuni­kations­techniken wie Skype oder WeChat können wir die Dreharbeit ja im hintersten Winkel Chinas begleiten. Koproduktionen ermöglichen diversifizierte Finanzierungen, die viele Filme erst möglich machen.


Der Anreiz zur Produktion ist also vor allem finanzieller Art?


Er ist genauso künstlerischer Natur. Im Falle von «LʼOspite» habe ich Duccio Chiarini 2013 beim Biennale College in Venedig kennen gelernt, wo ich Tutor war. Er war einer der Kandidaten und bereitete seinen ersten Langfilm vor. Ich lernte mit ihm einen talentierten Regisseur kennen, der grosse Lust zur Zusammenarbeit hat. Sobald er ein neues Projekt hatte – mit einem italienischen Produzenten – haben wir uns wieder getroffen und über eine Koproduktion und die Finanzierung gesprochen. Es hat zwar in diesem Film, künstlerisch gesehen, wenig französische Elemente, aber der Wunsch, gemeinsam zu entwickeln, war sehr ausgeprägt. Beide Aspekte, das Geld und die Kunst, sind wichtig.


Wie kam das Projekt dann nach Locarno ins Programm Alliance für Development?


Wir haben recht bald gesehen, dass Mittel nur aus Frankreich und Italien nicht ausreichen werden, und wir wollten versuchen, ein drittes Land einzubinden. Überdies ist es von Vorteil, einen dritten Partner zu haben, um von Eurimages Geld zu bekommen. Wir hatten die Wahl zwischen Deutschland, Belgien und der Schweiz. Tommaso Arrighi von Mood Film hat dann die Teilnahme bei Alliance for Development angeregt, um mit Schweizer Produzenten in Kontakt zu kommen. Dank dieses Programms haben wir dort Michela Pini von Cinédokké gefunden.


Sie haben auch am Co-Production Market der Berlinale teilgenommen. Warum geht man mit dem gleichen Film zu mehreren solcher Koproduktionstreffen?


Solche Plattformen bieten jedesmal die Möglichkeit, über das Projekt zu reden, Verkäufer und Verleiher zu treffen, manchmal kann man auch Vorabkäufe abschliessen, was alles für den Finanzierungsplan nützlich ist. Das TorinoFilmLab (AdR: bei dem das Projekt auch teilnahm) war sowohl eine Trainingsplattform wie ein Finanzierungsfonds, denn wir haben den TFL Production Award gewonnen. Wir mussten dann das Interesse am Film bei den Koproduktionsmärkten nachweisen, unseren potentiellen Partnern neue Drehbuchversionen zu lesen geben, die Verhandlungen weiterführen.


Wie sehen Sie das Schweizer Filmschaffen, wie sind Ihre Erfahrungen mit ihm?


Es ist das erste Mal, dass ich mit der Schweiz koproduziere. Meine Partnerin ist die Schweizer Regisseurin Isabelle Mayor. Ich habe gesehen, dass es hier Produzenten mit Erfahrung gibt, die ihr Handwerk ver­stehen. Aber bei dem kleinen Markt ist es oft schwierig, für Schlüsselposten kompetente Techniker zu finden.

Und in Sachen Koproduktion?


Ich entdeckte Finanzierungsmöglichkeiten, an die ich nicht gedacht hatte, und eine Offenheit fürs internationale Koproduzieren von Filmen internationaler Autoren, auch philippinischen oder chinesischen: So hat etwa José Michel Buhler von Adok Films den letzten Film von Wang Bing koproduziert.


Wie bringen sie die vertraglichen Pflichten und den künstlerischen Anspruch unter einen Hut?


Man muss die Spielregeln befolgen. Koproduktionen dürfen nicht allein auf pekuniären Interessen gründen, es muss auch der Wunsch und Wille vorhanden sein, mit den Technikern vor Ort zu arbeiten. Beides versucht man von Anfang an aufzubauen. Sich zwischen Frankreich und Italien oder Frankreich und der Schweiz zu einigen, ist ziemlich einfach. Gibt es aber Sprachbarrieren, wird es schwieriger. Wir haben in Chile einen Film gedreht, für den wir europäische Schauspieler brauchten, die wir also in Spanien gecastet haben. Es gibt knifflige Fälle wie jener Film, bei dem wir einen deutsche Tonmeister hatten, einen holländischen Angler, eine deutsche Kostümbildnerin, den Chefkamera­mann aus Frankreich, eine chilenische Equipe und spanische Schauspieler – und das Ganze mit einem iranischen Regisseur!

Das Gespräch führte Pascaline Sordet

▶ Originaltext: Französisch

Der Unbequeme

Andreas Scheiner
30 Juli 2018

Warum Zürich ein Filmgesetz braucht

Simon Hesse, Co-Präsident Verein Zürich für den Film, Vertreter des Initiativkomitees für ein ­Zürcher Film- und Medienförderungsgesetz
30 Juli 2018

Interessieren Sie sich für den Schweizer Film?

Abonnieren Sie!

Tarife