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Das Kino, der dritte Ort

Pascaline Sordet
30. Juli 2018

Laurent Toplitsch, ­Gründer des Kulturkinos Zinéma in Lausanne, über soziale und kulturelle Angebote neben dem Kinobetrieb.

Die Brunchs, die Sie in der Bar des Zinéma anbieten, sind beliebt. Inzwiefern sind diese wichtig für Sie?

Sie sind es, aber ich höre auf damit. Von Beginn an wollte ich ein Konzept, welches über den reinen Kinobetrieb hinausgeht. Also zusätzliche Angebote mit dem Ziel, neue Zuschauer zu gewinnen. Ich habe jahrelang Konzerte organisiert. Ich wende mich etwas anderem zu, weil nun überall Brunchs angeboten werden. Das Angebot richtet sich einerseits an mögliche neue Zuschauer und hat einen Einfluss auf die Besucherzahlen. Andererseits prägt es das Image und zwingt einen, sich ständig zu erneuern.


Was werden Sie stattdessen anbieten?

Ich habe verschiedene Ideen für ausserschulische Betreuungsangebote. Sobald die Kinder 12 Jahre alt sind, wird für sie nach der Schule nichts mehr geboten. Ich möchte einen Ort für Gespräche schaffen, mit Zvieri und der Möglichkeit, die Hausaufgaben zu erledigen. Die meisten Filmvorführer hier im Zinéma sind Studenten und einige machen diese Arbeit bereits an Schulen, das hat mich auf diese Idee gebracht. Für die Schüler ist es wenig attraktiv, nach der Schule auf dem Schulhof zu bleiben. Ich biete deshalb den ungezwungenen Rahmen des Zinéma an.


Ein Zwischenraum zwischen Schule und Zuhause?

Ich inspiriere mich dabei an dem, was der amerikanische Soziologe Ray Oldenburg den dritten Ort nennt. Damit meint er Kaffees oder Bibliotheken, seine Theorie hat unter anderen den Gründer von Starbucks inspiriert. Meines Erachtens kann auch die ausserschulische Betreuung ein Teil davon sein. Ob mit Konzerten, Brunchs, Konferenzen, Koch- und Bondagekursen oder Wahlversammlungen, das Zinéma war immer inspiriert von dieser Idee des dritten Ortes.


Wie wichtig ist dieses diskursive Angebot aus kommerzieller Sicht?

Während des Aufbaus von Zinéma haben wir viele Elektronikkonzerte gemacht, weil wir damit die Rechnungen bezahlen konnten. Das war vor dem Le Bourg, vor den Docks, vor dem Romandie, in einer Zeit, wo es in Lausanne kein Ausgangs-Angebot gab. Das‹diskursive Angebot› bringt nur extrem wenig neue Zuschauer, weniger als 5%, denke ich. Es kamen zwar viele Leute an diese Abende, aber nur wenige davon kamen wieder, um einen Film zu sehen. Einige wussten nicht einmal, dass sie sich in einem Kino befanden. Viel wichtiger ist dies für das Image.


Hat man an diese Identität des Ortes von Anfang an gedacht?

Der Ort wurde gedacht für die Schaffung solcher Angebote, auch wenn Kinos meistens schlecht dafür geeignet sind. Im Zinéma ist die Bar grösser als der Saal. Manche nennen es ironisch ein Kino in einer Bar. Die Lust der Leute, ins Kino zu kommen, hängt damit zusammen. Als ich in den 90er Jahren aus China zurückkam, war ich Student und Filmvorführer im Bellevaux, einem an­gestaubten Kino mit älterem Publikum und einer altmodischen Kassentheke. Ich sagte mir damals, dass man das Gegenteil machen sollte. Einen zentralen, offenen, gemütlichen, nützlichen und ästhetisch anziehenden Ort, ein Schweizermesser-Kino.


Welche Bedeutung haben dabei noch die Filme?

Sobald etwas gut läuft, höre ich auf damit, denn meine Leidenschaft bleibt der Film. Bier zu verkaufen interessiert mich nur, um die Rechnungen zu bezahlen. Das macht den Unterschied zwischen Gästeempfang und Abwicklung. Ich will die Leute so empfangen, wie es in der Gastro­nomie natürlich ist. Ist der Kaffee gut und der Ort schön, dann sind die Leute in einer besseren Stimmung, einen Film zu schauen, der dann auch schwierig oder unstrukturiert sein kann, denn das ist unsere Aufgabe: Entdeckungen zu ermöglichen.


Sie glauben also nicht so an die technische Aufrüstung der Kinosäle?

Ich denke, sie dient nur dazu, einen höheren Eintrittspreis zu verlangen. In Lausanne haben die Eintrittspreise die Marke von 20 Franken nie erreicht oder überschritten, weil dies die Schmerzgrenze des Publikums ist, ganz besonders der Jungen. 


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