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Editorial

Meistens sind beide nervös

Wer dreht schon einen Film und interesssiert sich nicht dafür, wie er an die Leute gelangt? Zum Filmemachen gehört die Vermittlung. Marketing also, Werbung, aber auch Q&As an Vorpremieren, Festivals und anderen Auftritten. Dazu kommt die Medienarbeit. Doch gute Interviews zu geben, live oder zeitversetzt, fürs Fernsehen, Radio, für Print- und Onlinemedien, ist anspruchsvoll. Es geht ja nicht nur darum, die richtigen Antworten parat zu haben. Der Umgang mit Medien braucht Erfahrung, Wissen, Vorbereitung. Und ein journalistisches Gegenüber, das seine Arbeit versteht.

Aber wie sieht es umgekehrt aus? Auch Journalisten sind oft nervös, gerade vor Interviews. Gute Interviews zu führen ist nicht weniger aufwändig, als selber einen Text zu schreiben. Ein Gespräch ist ein oft unvorhersehbar wachsendes Gebilde, das schnelle Reaktion verlangt, seitlich Triebe schlägt, sich in Richtungen entwickelt, von denen man zuvor nichts ahnte und je nach Dynamik, Temperament und Redetalent des Gegenübers auswuchern oder ausfasern kann. Auf das Transkribieren folgt deshalb das Umstellen, Ordnen, Verdichten – und ja, manchmal auch Umformulieren. Es ist offensichtlich, dass Interviews nie den exakten Wortlaut eines Gesprächs wiedergeben. Die einen sind auf Dialekt geführt. Andere dauern zwei Stunden und müssen massiv gekürzt werden. Wieder andere mäandern, sind sprunghaft und müssen deshalb umgruppiert werden, manchmal ist die erste Antwort auf die erste Frage die letzte, weil sie dort besser hinpasst.

Etwas nervös werde ich oft, wenn ich einen Text zum Gegenlesen gebe. Bei Interviews ist diese Kontrolle selbstverständlich, bei Texten und Porträts müssen nur die Zitate im Kontext autorisiert werden. Trotzdem ist es – zumindest bei Cinébulletin – üblich, jeweils die ganzen Texte vorzulegen. Und darauf zu bestehen, dass die Zitierten professionell reagieren und nicht auf die Idee kommen, Interviews umzuschreiben oder im nachhinein alles ganz anders gesagt haben zu wollen. Und zu respektieren, dass Journalisten eigene Ansichten vertreten. Schliesslich steht ja ihr Name darunter.

Konflikte gibt es nur in Ausnahmefällen, meistens läuft es gut. Manchmals sogar sehr angenehm. So war es bei Christine Loriol, mit der ich mich über Medien­arbeit unterhalten habe. Die Kommunikationsberaterin aus Zürich bietet, etwa für Focal, Seminare und Workshops an, in denen sie Filmschaffende in ihrem Umgang mit Journalisten berät. Auch Networking und öffentliches Auftreten sind Themen ihrer Workshops.

Lesen Sie dazu unser Gespräch.

Kathrin Halter

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